Sophie Hug Pferdeinternistin


Magenulzera beim Pferd:

Equine Gastric Ulcer Syndrome

 

Sophie Hug, Dr. med. vet., DipECEIM

www.sophiehug.ch, www.gastroskopiepferd.ch

 

Magengeschwüre kommen beim Pferd sehr häufig vor. Nicht nur Sport- und Hochleistungspferde sind betroffen, sondern auch Freizeitpferde, Fohlen und Esel – kurz gesagt, alle Equiden können betroffen sein. Die Domestizierung des Pferdes, die heutigen Zuchtziele von feinen sensiblen Equiden, aber auch teilweise gut gemeinte Fürsorge sind alles Faktoren, welche die Entstehung von Magenulzera ebenfalls begünstigen können.

Equine Gastric Ulcer Syndrome (EGUS) beinhaltet zwei Erkrankungen: Zum einen Equine Squamous Gastric Disease (ESGD), die Erkrankung der kutanen Schleimhaut im Magen, und zum anderen Equine Gastric Glandular Disease (EGGD), die Erkrankung der glandulären Magenschleimhaut. Der Pferdemagen hat zwei unterschiedliche Auskleidungen: Die Drüsenschleimhaut, welche die Verdauungsenzyme produziert, und die kutane, drüsenlose Schleimhaut, welche als Speicher dient. Pferde können beide Formen gleichzeitig oder jeweils eine Form von Magenulzera haben. EGGD wird häufiger bei Warmblütern beobachtet und EGSD häufiger bei Rennpferden. Hierzu muss gesagt werden, dass diese zwei Pferdepopulationen in Studien am häufigsten vertreten sind. Das Wort «Geschwür» ist eigentlich eine unpassende Übersetzung aus dem Englischen. Unter Ulzera kann man sich eher Aphten oder wunde Stellen im Magen unterschiedlicher Tiefe vorstellen.

 

Ursachen für die Entstehung von Magenulzera

Die Bildung von zu viel Magensäure ist wesentlich an der Entstehung von Magenulzera beteiligt. Die Übersäuerung infolge hoher Kraftfuttergabe, langen Fastenzeiten zwischen Fütterungen oder zu geringen Mengen an Raufutter führen zur Schädigung der Magenschleimhaut. In der Wildnis fressen Pferde ca. 16h pro Tag, wobei stets Speichel gebildet wird. Das enthaltene Bikarbonat im Speichel puffert die im Magen gebildete Säure ab. Man geht davon aus, dass nicht allein die erhöhte Magensäure, sondern auch eine verringerte Durchblutung des Magens z.B. beim Reiten und andere Faktoren mit für die Entstehung verantwortlich sind, insbesondere bei Ulzera der Drüsenschleimhaut. Diese ist per se bereits der Magensäure ausgesetzt. Andere Faktoren, welche die Entstehung von Magenulzera begünstigen, sind z.B. physischer Stress wie intensives Training, Bewegung auf leeren Magen, sozialer Stress wie Stallwechsel, soziale Konflikte (Boxen-, Weidenachbar, Gruppenhaltung) oder zu wenig soziale Kontakte, Transporte, verlangsamte Magenentleerung, schlechte Futterqualität, kein Wasserzugang auf Weiden oder Paddocks, Lärmemissionen etc. Beim Menschen können auch Bakterien (Helicobacter) zu Magenulzera führen; dies konnte beim Pferd noch nicht gezeigt werden bzw. nur in sehr seltenen Fällen. Es ist möglich, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen glandulären Magenulzera und einer generalisierten Darmentzündung (IBD), da diese Läsionen in der Regel entzündlich sind. Zum jetzigen Zeitpunkt weiss man noch nicht genau, wie die glandulären Magenulzera entstehen. Das heutige Zuchtziel, welches immer mehr auf hochsensible Pferde ausgerichtet ist, könnte durchaus ebenfalls ein Faktor sein.

 

Symptome bei Magenulzera

Pferde mit Magenulzera können eine Vielzahl von Symptomen zeigen. Manche Pferde zeigen jedoch kaum Symptome und erst nach der Therapie ist ein deutlicher Unterschied im Wesen und der Leistung zu bemerken.

Typische Symptome sind Appetitlosigkeit oder verweigern von Futter, Abmagerung, Leistungsabfall, wiederkehrende Koliken, Unwohlsein im Zusammenhang mit Fütterung, Gähnen, Flehmen, vermehrtes Liegen, Gurtenzwang, Abwehrbewegungen beim Bürsten, Kotwasser, Unrittigkeit, Ängstlichkeit oder andere Wesensveränderungen, Fellveränderungen, Aufstossen oder Zähneknirschen. Aber auch gieriges Fressen ohne Abmagerung werden beobachtet. Fohlen mit Magenulzera haben oft chronischen Durchfall und/oder erhöhten Speichelfluss.

 

Optimierung der Haltungsbedingungen

Bei Pferden mit Magenulzera sollte so weit möglich die Haltung optimiert werden, indem man bei Bedarf umstellt auf Boxe mit Paddock, Offenstall oder Weidehaltung. Natürlich muss immer das Pferd als Individuum angesehen und eine passende Haltung gefunden werden. Gewisse Pferde in Gruppenhaltung haben gerne nachts eine eigene Boxe, wo sie ungestört fressen können; wiederum sind Boxenpferde teilweise gelangweilt ohne direkten sozialen Kontakt, vor allem wenn sie nicht mit dem Nachbarpferd Fellpflege durchführen können. Gemeinsamer Weidegang kann hier helfen, aber muss natürlich sorgfältig erfolgen. Es ist auch wichtig, einen möglichst konstanten Platz zu haben und nicht ständig den Stall oder die Boxe zu wechseln. Bei Gruppenhaltung ist es von grösster Wichtigkeit, die Gruppe möglichst konstant zu halten und eine passende Zusammensetzung mit genügend Integrationszeit zu gewährleisten. Nicht alle Pferde können zusammengehalten werden, in vielen Fällen ist es besser, Gruppen aufzuteilen. Regelmässige Bewegung bzw. Abwechslung im Alltag, aber auch 1 bis 2 Stehtage bei Pferden im Training oder Beritt können zu deutlicher Besserung der Magenulzera führen. Wiederum kann zu viel Abwechslung die Pferde durcheinanderbringen, eine gewisse Konstanz im Tagesablauf ist von Vorteil. Es konnte auch gezeigt werden, dass bei einer hohen Anzahl verschiedener Reiter oder Personen, welche mit dem Pferd Umgang haben, öfter Magenulzera auftreten.

 

Fütterung von Pferden mit Magenulzera

  • Raufutter, d.h. Heu / Heulage / Weidegang zur freien Verfügung oder mindestens 3-4x täglich
  • Bei Bedarf Stroh in kleinen Mengen als Futterstroh
  • Heunetze (mindestens 4cm), Heufresser, automatische Fütterung erleichtern das Management
  • Getreidefreies Kurzfutter (0.2kg/100kg KGW) mit tiefem Zuckeranteil ohne Melasse und hohem Fettanteil oder ein Futter auf Reis- oder Zuckerrübenbasis
  • Kurzfutter nie auf leeren Magen: Es ist wichtig, dass dieses eine halbe Stunde bis eine Stunde nach der Heufütterung angeboten wird, damit der Magen gut eingespeichelt ist. Speichel puffert die im Magen vermehrt gebildete Säure aufgrund der Kurzfuttergabe
  • Abstände zwischen Kurzfuttergaben sollen mindestens 6h betragen
  • Immer freier Zugang zu frischem Wasser – auch auf der Weide
  • Zusatzfuttermittel mit Pektin-Lecithin zum Magenschutz
  • Pflanzliches Öl (Maiskeimöl, Leinöl) 1dl pro Tag auf zwei Portionen aufgeteilt, hat einen schützenden Effekt im Magen indem es die Säureproduktion hemmt und die puffernde Bikarbonatproduktion fördert
  • Zusätzliches Öl (Sonnenblumen, Raps) bei benötigter Gewichtszunahme bis zu 1dl/100kg KGW auf mehrere Portionen aufgeteilt
  • Täglich ausgewogenes Mineralfutter
  • Vor dem Reiten/Bewegen/Transport ca. 2 Liter Heu oder Melasse freie Häcksel füttern (puffert Magen und erhöht Durchblutung während Bewegung)
  • Häcksel sind nicht per se schädlich für den Magen, sondern nur wenn sie als Alleinfutter (ohne Heu/Heulage) gefüttert werden, haben Pferde vermerht Ulzera

 

Diagnose von Magenulzera

Den Verdacht von Magenulzera hat der Tierarzt oder Besitzer bereits, wenn das Pferd immer wieder eines oder mehrere der typischen Symptome zeigt. Zur Sicherung der Diagnose wird eine Gastroskopie durchgeführt. Das bedeutet, man visualisiert den Magen, indem man ein Endoskop durch die Nase in die Speiseröhre zum Magen führt. So kann man genau feststellen, welche Schleimhaut wie stark betroffen ist. Bei Bedarf können über das Endoskop auch Schleimhautproben entnommen werden. Damit der Magen leer ist, wird das Pferd vorgängig mindestens 14 Stunden gefastet.











Magenulzera der kutanen Schleimhaut über der grossen Kurvatur des Magens Abb. 1, Ulzera der glandulären Schleimhaut im Bereich des Pylorus Abb. 2, Ulzera im Bereich der kleinen Kurvatur kutan und glandulär im Bereich des Magenausgangs Abb. 3, Magendasseln im Magen eines Pferdes Abb. 4

 

Therapie von Magenulzera

Nebst der Haltungs- und Fütterungsoptimierung gibt man Medikamente, welche die Magensäureproduktion reduzieren, die Schleimhaut abdecken und die Durchblutung lokal fördern (Omeprazol, Sucralfat, Misoprostol). Futterzusätze, welche die Magenschleimhaut schützen, sind längerfristig sinnvoll. Es eignen sich Produkte, welche Lecithin und Pektine enthalten. Lecithine bilden einen Schutzfilm über die Magenschleimhaut und Pektine wirken der Übersäuerung entgegen und stabilisieren den natürlichen Schleim. Produkte mit Magnesium sind eher kurzwirksam und daher weniger geeignet. Die Literatur beschreibt auch eine schützende Wirkung von Sanddorn, Kaolin, Polysacchariden, Aloe vera und Bismut Salzen. Hier fehlen jedoch wissenschaftliche Studien, welche die Wirkung beweisen.

Nach der Therapie wird empfohlen, eine Kontrollgastroskopie durchführen zu lassen. Die Therapie von Magenulzera dauert mindestens 4 Wochen und muss in den meisten Fällen länger fortgeführt werden. Wenn die Ulzera nach 4 Wochen noch nicht vollständig ausgeheilt sind und die Therapie zu früh beendet wird, flammen diese sonst schnell wieder auf. Generell ist die Prognose bei Magenulzera gut, d.h. das Pferd ist nicht schwer krank und hat gute Aussichten auf Heilung. Aber eine Therapie kann langwierig sein und je nach Pferd können Magenulzera bei Stress erneut auftreten. Deshalb ist diese Erkrankung der Pferde für die Besitzer oft sehr belastend. Dazu kommt, dass eines der Kardinalsymptome immer wieder auftretende Koliken sind, und da man bei einer Kolik nie sicher weiss, ob es nun aufgrund der Magenulzera ist oder eine allenfalls schwerwiegendere Ursache vorliegt, brauchen die Besitzer ein starkes Nervenkostüm.

 

Schlussfolgerung

Magenulzera treten bei Pferden häufig auf und können gut behandelt werden. In den meisten Fällen hat man mit einem passenden Management und der adäquaten Therapie längerfristig ein zufriedeneres Pferd, welches somit auch eine bessere Leistung erbringen kann. Das heisst, es lohnt sich immer, bei einem Verdacht auf Magenulzera diese abzuklären.